Das alte Wehr in der Rotach bei der Reinachmühle diente ursprünglich zum Ableiten des Wassers für das Wasserrad der Reinachmühle. Nach Stilllegung des Mühlbetriebes wurde das Wasser zur Stromgewinnung genutzt. Mehrere Jahre war diese Turbine außer Betrieb, weil sowohl das Wehr als auch die Turbine erneuert werden mussten. Nun wird wieder Strom erzeugt.
Da ein solches Wehr die Wanderung von Wassertieren stark behindert bzw. unmöglich macht, schreibt der Gesetzgeber vor, dass eine Wandermöglichkeit für Fische, Wasserinsekten usw. geschaffen werden muss. Nähere Informationen zu "Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern": https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/wasserbau (ganz unten auf dieser Seite)
Deshalb baute die Stadt Friedrichshafen 2013/2014 ein "Umgehungsgerinne". Dies ist ein künstlicher Bach, der um das Wehr herum führt und in den ein Teil des Rotachwassers fließt.
Umgehungsgerinne am Reinachwehr
Der BUND begrüßt ausdrücklich Maßnahmen, die Flüsse und Bäche wieder durchgängig machen für Wassertiere.
Wir meinen aber, das jetzige Umgehungsgerinne ist nicht die beste Lösung:
- Das Umgehungsgerinne macht die Rotach nur flussabwärts durchgängig.
- Ist dieses Umgehungsgerinne wirklich die ökologisch beste und auch kostengünstigste Lösung?
- Unserer Ansicht nach bekam die Stadt dafür zu viele Ökopunkte.
Die Kritikpunkte im Einzelnen:
Zu 1.
Es gibt eine ganze Reihe von Wassertieren, die in ihrem Leben verschiedene Abschnitte eines Flusses nutzen. Beispielsweise legen Forellen ihre Eier im Oberlauf ab, die Jungtiere schwimmen dann abwärts, bis sie geeignete Stellen mit Unterschlupf und Nahrung finden. Zur Eiablage müssen sie wieder den Fluss hinauf schwimmen. Um den Weg hinauf bzw. hinab zu finden, orientieren sie sich an der Wasserströmung.
Bei dem Umgehungsgerinne am Reinachwehr ist die Strömung am oberen Wassereinlass deutlich geringer als die Strömung im Bachbett der Rotach. Die wandernden Wassertiere folgen der Strömung bis zum Wehr, wo sie dann mit dem Wasserfall über die Wehrkante gespült werden und unten hart aufschlagen.
Am unteren Ende des Umgehungsgerinnes finden die Wassertiere den Eingang besser.
Deshalb macht das bestehende Umgehungsgerinne die Rotach nur in EINER Richtung durchgängig, entgegen den Vorgaben des Gesetzgebers (s.o.).
Eine wissenschaftliche Untersuchung bestätigt diesen Kritikpunkt.
Zu 2.
Nach unserer Ansicht wäre eine sogen. Raue Rampe vor dem Wehr sinnvoller gewesen. Dies ist eine Vorschüttung mit Steinen unterhalb des Wehrs, sodass der Fluss hier über eine Schräge von der Wehroberkante in sein tiefer liegendes Bett abfließen kann. Bei entsprechender Gestaltung (Gefälle und Wasserrinne) können Wassertiere hier auf- und abwärts schwimmen.
Angeblich wäre dies teurer gewesen als das Umgehungsgerinne, was wir allerdings nicht plausibel finden. Zumal der Besitzer der Reinachmühle zur Abstützung des Wehrs selbst eine Steinvorschüttung machen ließ. Hätten hier Besitzer und Stadt zusammengearbeitet, wäre u. E. eine billigere und ökologischere Lösung entstanden.
Zusätzlich entstanden beim Bau des Umgehungsgerinnes ziemliche "Kollateral-Schäden" - große Bäume wurden gefällt und Boden verdichtet.
Zu 3.
Für den Bau des Umgehungsgerinnes konnte sich die Stadt Ökopunkte gutschreiben. Mit diesen Ökopunkten können ökologische Schäden, die bei Bebauungsplänen o.ä. entstehen, ausgeglichen werden.
Unserer Ansicht nach hat sich die Stadt hier zu viele Ökopunkte angerechnet:
Wenn die Herstellungskosten der ökologisch positiven Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu den positiven Folgen dieser Maßnahme stehen, können pro Euro Baukosten 4 Ökopunkte angerechnet werden.
Wir meinen, das Umgehungsgerinne hilft nur dem Aufstieg der Tiere und nicht auch dem Abstieg. Dies wäre beim Bau einer Rauen Rampe besser gewesen.
Hinzu kommt, dass vor dem Bau keine Untersuchung des Tierbestandes stattfand, mit dem man den Zustand danach vergleichen könnte. Um beurteilen zu können, ob die Herstellungskosten „in einem adäquaten Verhältnis zum … ökologischen Aufwertungsgewinn stehen“, muss es lt. § 16 BNatschG eine Dokumentation des Ausgangszustandes geben. Diese Dokumentation gibt es nicht.
"Da nicht nachgewiesen werden kann, dass die Herstellungskosten in einem adäquaten Verhältnis zum ökologischen Aufwertungsgewinn stehen und die Durchgängigkeit des Gewässers nur stromaufwärts erreicht wurde, ist die Anrechnung von 4 Ökopunkten pro Euro Baukosten unzulässig." (aus unserer Stellungnahme 2015)
Stromgewinnung am Reinachwehr
Bei niedrigem Wasserstand in der Rotach läuft zu viel Wasser in den Mühlgraben und durch die Turbinen, sodass kaum noch Wasser über das Wehr fließt. Eigentlich sollte eine ausreichende Mindestwassermenge in der Rotach bleiben, aber das wird nicht eingehalten. Damit folgen die abwärts wandernden Wassertiere der Strömung in den Mühlkanal und können in die Turbinen geraten. Diese Gefahr könnte durch ein ausreichend enges Fischgitter am Eingang des Mühlkanals und vor den Turbinen vermindert werden, aber diese Schutzeinrichtung gibt es nicht.