Ortsverband Friedrichshafen
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Wie werden wir klimaneutral am Bodensee?

09. Juli 2023

120 Besucher bei der Veranstaltung im GZH zur BUND-Klimastudie und zu Wegen zur klimaneutralen Energieversorgung

In 18 Jahren möchte Baden-Württemberg klimaneutral sein. Was bedeutet das für die Bodensee-Region? Was müssen wir vor Ort an Energie einsparen und in welchem Umfang müssen erneuerbare Energien, Strom- und Wärmenetze und Speicher bereitgestellt werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Informationsveranstaltung, zu der BUND, die Stadt Friedrichshafen, der Bodenseekreis und die LocalZero-Gruppen der Region ins Graf Zeppelin-Haus in Friedrichshafen eingeladen hatten. Die Veranstaltung wurde durch eine Spende der Sparkasse Bodensee unterstützt.

Oberbürgermeister Brand berichtete zu Beginn der Veranstaltung über die aktuelle Diskussion im Stadtrat über Reduktionsziele bei den Klimagasen auf dem Weg zur Klimaneutralität. In seinem Grußwort wies Landrat Prayon darauf hin, dass er bei seinen Gesprächen mit Firmen der Region erfahre, dass Fragen des Klimaschutzes und der Klimaneutralität inzwischen wichtige Standortfaktoren für die Wirtschaft seien – bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen aber auch bei der Gewinnung von Fachkräften in Unternehmen und Verwaltung. 

Energiemix und Einsparungen beim Verbrauch

Sylvia Pilarsky-Grosch, die Landesvorsitzende des BUND stellte als Einstieg in die Fachvorträge eine aktuelle, vom BUND beauftragte Studie des Ökoinstituts Freiburg vor. Alle drei dort untersuchten Szenarien zeigen, dass der Strombedarf erheblich steigen wird, weil fossile Energie bei der Wärme und bei der Mobilität durch Strom ersetzt wird. Deshalb müsse die installierte Leistung vor allem bei Wind und Sonne erheblich gesteigert werden. Konkret heiße das für unsere Region: Photovoltaikmodule müssen auf allen geeigneten Dach- und Wandflächen installiert werden. Zudem seien bis zu 1.400 Hektar (0,4%) für Freiflächen- oder Agri-PV-anlagen notwendig – vorzugsweise über Park- und Lagerplätzen, an Straßen und Bahnlinien, über Obst- und Weinbau-Kulturen (AgriPV), aber auch auf weiteren, konfliktarmen Standorten in der Freifläche. Flächen mit sehr guter Eignung für die Erzeugung von Nahrungsmitteln sollten dabei ausgespart werden.

Im Wärmebereich sei laut Studie vor allem der Zubau von Nah- und Fernwärmenetzen, aber auch der stärkere Einsatz von Wärmepumpen dringend erforderlich. Im Bodenseeraum könne als Energiequelle zusätzlich Erd- und Thermalwärme, vielleicht sogar die Wärme aus dem Seewasser genutzt werden. Für die Umwelt sei es aber entscheidend, in welchem Umfang wir Strom und Wärme sparsamer und effizienter nutzen. Einsparungen wirken schnell und erfordern keinen Bau von Kraftwerken. „Weniger Wohnfläche pro Einwohner und ein Herunterdrehen der Heizung im Winter, würde hier große Beiträge leisten“ so die BUND-Vorsitzende. 

Eine herausfordernde, aber machbare Übung

Das Klimaschutzgesetz des Landes fordert von den Regionen, dass sie bis Ende 2025 1,8% der Flächen für den Ausbau der Windenergie und mindestens 0,2% für die Photovoltaik auf Freiflächen sichern. Wie die Regionalplanung vorgeht, um die konfliktärmsten Flächen zu identifizieren, stellte Dr. Wolfgang Heine, Verbandsdirektor des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben, vor. Im Bodenseekreis werden nur an wenigen Standorten Windkraftwerke möglich sein, da dieser dicht besiedelt ist und in weiten Teilen zu wenig Wind bläst. In der Gesamtregion Bodensee-Oberschwaben zeichne sich aber ab, dass es wohl ausreichend konfliktarme Flächen geben wird, ohne den Arten- und Naturschutz zu schwächen. Bei der Photovoltaik sei es laut Regionalverband kein Problem, die Flächenziele im Landesgesetz zu erreichen. Gleich zu Beginn des Jahres 2024 soll die Gebietskulisse für Wind und Solar der Öffentlichkeit vorgestellt und zur Anhörung freigegeben werden.

Zu wenig gute Praxis bei den Erneuerbaren am Bodensee

Leider sei die Zahl vorbildlicher Energieprojekte in der Bodenseeregion noch sehr überschaubar, betonte Bene Müller von solarcomplex (AG) in Singen gleich zu Beginn seines Beitrags. Anhand des Beispiels der Bodenseewasserversorgung machte er deutlich, dass bei großen Energieverbrauchern nur ein Bruchteil des Strombedarfs auf eigenen Gebäuden und Grundstücken realisiert werden kann. Deshalb seien Windkraftwerke und Freiflächen-Solaranlagen notwendig. Aktuell entstehe in Tengen ein Solarpark, der seinen Strom direkt an einen großen Industriebetrieb im Bodenseekreis vermarktet. Und auch beim Bau von Wärmenetzen sei solarcomplex aktiv. Bei einem neuen Projekt in Jungnau wird die nötige Wärme während der Sommermonate über Solarthermie und im Winter aus Holzhackschnitzeln gewonnen. Wenn bessere Energiequellen als Holz zur Verfügung stünden, könne hier schnell umgesteuert werden. Eine bessere Energiequelle als die Sonne gäbe es allerdings nicht. Deshalb empfahl er, vor allem diese bewährte und frei von Radioaktivität und Abfällen ablaufende Kernfusion zu nutzen.

In der von Dr. Fabian Sennekamp von der Zeppelin Universität moderierten Diskussion im Anschluss wurden dann vor allem der Wald- und Wasserschutz, das Flächensparen und die notwendigen Nebenanlagen beim Ausbau der erneuerbaren Energien thematisiert. Auch die Bedeutung des CO2-Preises und der Mehrwertsteuer für die Förderung von Einsparungen, sowie die Dauer des Ausbaus der Wärmenetze wurden angesprochen. Einig dürften sich die Teilnehmer*innen wohl in Folgendem gewesen sein: Wir müssen alle Potentiale der erneuerbaren Energien nutzen, die naturverträglich machbar sind. Wir müssen mehr in Speicher und Energienetze investieren, als bisher gedacht und vor allem die umweltfreundlichsten Möglichkeiten nutzen: Effizienz und Einsparungen.

Zur BUND-Klimastudie: www.bund-bawue.de/klimastudie/

 

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